In der zweiten Aprilwoche stand das jährlich stattfindende Ausbildungsmodul Lawinenkunde und Skihochtourenkurs der Bergrettung Niederösterreich/Wien auf dem Programm. Neun top motivierte Bergretterinnen und Bergretter – fünf davon aus Reichenau – plus ein Ausbildner – ebenfalls von der Ortsstelle Reichenau – trafen sich dazu am Sonntagnachmittag im Pitztal, nachdem die ersten beiden Nächte in einem Talquartier verbracht wurden.
Nach dem Kennenlernen ging es an den Materialcheck, der Aufteilung der ergänzenden Gletscherausrüstung an die Teilnehmer und eine erste Besprechung über die anstehende Hochtourenwoche in den Ötztaler Alpen. Danach folgte die Tourenplanung für den Folgetag im gemütlichen Beisammensitzen.
Am Montag, dem ersten Tourentag, stand eine Akklimatisationstour auf dem Programm. Mit der unterirdischen Bahn ging es dazu auf den Pitztaler Gletscher, von wo aus der Linke Fernerkogel (3278m) erfolgreich bestiegen werden konnte. Nach einer Gipfelrast ging es im Anschluss an die knapp 1400 Höhenmeter lange Abfahrt retour nach Mandarfen. An diesem ersten Tag wurden die Basics für Hochtouren wiederholt und vertieft, bspw. Gehen in der Seilschaft als auch Abfahren am Seil oder Routenwahl.
Am Nachmittag – im Frühling ist ein früher Tourenstart und nicht zu spätes Ende wichtig: Stichwort Lawinengefahr – erfolgte im Talquartier die abschließende Planung der Ötztaler Alpen Durchschreitung sowie das Packen der Rucksäcke.
Am Dienstagmorgen fuhren die Teilnehmer mit der ersten Bahn auf den Gletscher. Witterungsbedingt musste der Aufstieg von der Bergstation der Standseilbahn erfolgen, dh zusätzliche 500 Höhenmeter im Aufstieg galt es zu überwinden. Bei milden, jedoch relativ windigem Wetter ging es über die Piste zum Mittelbergjoch. Nach einer kurze Abfahrt auf den Taschachferner erfolgte der Aufstieg in zwei Seilschaften – jeweils angeführt durch einen Bergretter – über den beeindruckenden, spaltenreichen Gletscher in Richtung Wildspitze und das Skidepot. Die geplante Grat-Überschreitung von Nord nach Süd wurde aufgrund des Windes verworfen, weil zu gefährlich. Nach einem kurzen Anstieg über den leichten Felsgrat (SG 1+) standen die Teilnehmer um kurz nach 13.00 Uhr alleine am höchsten Berg Tirols, der 3768m hohen Wildspitze. Ein Gipfelfoto später ging es rasch an den Abstieg, um rechtzeitig vor der angekündigten Kaltfront samt Schneefall, Sturm in der Vernagthütte angekommen zu sein. Die Abfahrt zum Quartier war geprägt von weichem Firn. Am mittleren Nachmittag, mit den ersten Schneeflocken, traf die Gruppe in der wunderbaren Vernagthütte ein, der Homebase für die nächsten beiden Nächte.
Der Mittwoch war dann geprägt von Schneefall und Nebel samt schlechter Bodensicht. Daher war eine einfache Tour zur Schwarzwandspitze geplant. Auf den Gipfel wurde witterungsbedingt verzichtet, um stattdessen eine schöne Tiefschneeabfahrt zu genießen und den Fokus auf Rettungstechniken wie Spaltenbergung legen zu können.
Abends in der Hütte wurde Verpflegung für die Nacht im Winterraum des Taschachhauses eingekauft, um am nächsten Tag um kurz nach 6.30 Uhr aufzubrechen. Das Wetter war bestens: fetzblauer Himmel, kein Wind, Minusgrade und 20-30cm Neuschnee. Bei diesen Traumverhältnissen ging es über den Vernagtferner aufwärts und um 9.30h standen die Bergretter:innen am Gipfel der Hochvernagtspitze (3.536m). Nach einer herrlichen Abfahrt im bereits schwer werdenden Schnee (SO-Aushang, dh frühe Abfahrt notwendig!) und einer Zwischenrast am Gletscher, erfolgte der Wiederaufstieg zum Sexegertenjoch. Nach einer kurzen Abkletterstelle folgte für viele das Highlight der Woche: Die lange Abfahrt bei bestem Pulverschnee über den Sexegertenferner ins Taschachtal und weiter zum Taschachhaus – ein kurzer Gegenanstieg inklusive. Beim Winterhaus angekommen, erfuhren wir vom Lawinenunglück im Ötztal, nur einige Kilometer weiter. Es folgte eine kurze Info an alle Familien und Freunde, dass wir sicher sind, bevor wir die Lawinensituation bzw. unsere Route bei Bier und Radler auf der Sonnenterrasse analysierten. Der Neuschnee, die Wärme als auch die kräftige Sonneneinstrahlung machten eine vorausschauende Tourenplanung und Routenwahl auch am nächsten Tag besonders notwendig.
Im Winterraum des Taschachhauses bereiteten wir anschließend Kaffee, Jause, Abendessen vor, planten abends die Tour für den nächsten Tag auf die Bliggspitze und ließen den Tag kameradschaftlich bei Bier, Wein und Essen in der Hütte gemütlich ausklingen
Aufgrund der prognostizierten Wärme und der Hangausrichtung unserer Tour, erfolgte der Start am letzten Tag der Woche noch vor dem Sonnenaufgang. Bei besten Verhältnissen (die klare Nacht hatte die Schneedecke verfestigt) erfolgte der Aufstieg. Die letzten 150Hm ging es schließlich mit Steigeisen eine steilere NW-Rinne aufwärts zum Gipfel Auf der Bliggspitze (3454m) wurde ausgiebig gejausnet und das Bergpanorama von Wildspitze über Ortler bis zu Piz Bernina und darüber hinaus genossen. Die finale Abfahrt bot dann besten Firn bei frühsommerlichen Temperaturen. Ein würdiger Abschluss.
Mittags war die Gruppe bereits retour in Mandarfen im Pitztal und bei einem Abschlussgetränk wurden die Eindrücke ausgetauscht, die Learning reflektiert und auf die Kameradschaft sowie Freundschaft angestoßen.
Ein großer DANK an dieser Stelle an die Landesleitung der Bergrettung NÖ/W als auch den Bergführer und Lehrwart Roman Dirnböck, die diesen Kurs Jahr für Jahr möglich machen. Und an unsere Quartiergeber für die großartige Bewirtung und freundliche Aufnahme in euren Hütten und Unterkünften.
Auf bald. Berg Heil.
PS: Hier noch ein paar Eindrücke von der Ausbildungswoche und der Kameradschaft sowie Freundschaft zwischen den Teilnehmern.