Alpin Notruf: 140

Der gestrig Fenstertag wurde von sehr vielen Menschen aus dem In- und Ausland für Bergtouren genutzt. Obwohl von Geosphere (vormals ZAMG) eine Schwergewitterwarnung ab Mittag ausgegeben war, starteten viele erst spät mit ihren Unternehmungen. So wurde die Bergrettung Reichenau in Zusammenarbeit mit der Alpinpolizei und der BMI-Flugstaffel gestern zu vier Einsätze gerufen.

Einsatz #1 ging um 11:47 Uhr ein – eine 67-jährige Steirerin, die sehr gut ausgerüstet war, stürzte im Bereich Seehüttenweg/Grünschacher. Sie hatte gemeinsam mit ihrem Ehemann die Tour abgebrochen, nachdem sich Gewitterwolken aufzubauen begannen. Leider stürzte sie am Rückweg – die Koordination wurden mit Handy mittels AML (Advanced Mobile Location) übermittelt – und zog sich eine blutende Kopfwunde und eine Armverletzung zu. Ein in der Nähe befindlicher Bergretter der Ortsstelle übernahm die Erstversorgung, ein 3-köpfiges Rettungsteam führt gemeinsam mit einem Alpinpolizisten zum Unfallort ebenfalls zu und übernahm im Anschluss den Transport zur Seilbahn. Im Tal konnte die Dame an den Rettungsdienst zur weiteren Behandlung übergeben werden. Um 13:27 Uhr traf die Mannschaft in der Zentral ein und es konnte Einsatzende vermeldet werden.

Wenige Minuten später, um 13:41 Uhr, wurde die Ortsstelle von Notruf 140 zum Einsatz #2 alarmiert. Im Bereich Schönbrunnerstiege/Großes Höllental wurde ein Notruf von einer 59-jährigen Wienerin abgesetzt. Jedoch war kein weitere Kontakt im Anschluss möglich, weshalb ein Bergrettungsteam zusammen mit der Alpinpolizei zustieg, um die Lage zu erkunden. Parallel wurde die Libelle des BMI nachalarmiert, um das Suchgebiet aus der Luft zu überblicken. In Zweierteams wurden Wege und Steige im Großen Höllental abgesucht, jedoch konnten keine Vorkommnisse festgestellt werden und der Einsatz wurde nach etwas mehr als 2 Stunden in Absprache mit der Polizei abgebrochen.

Einsatz #3 ereilte die Ortsstelle Reichenau knapp 45min nach dem Ende des Sucheinsatzes. Zwei junge Niederösterreicherinnen befanden sich im oberen Bereich des Alpenvereinsteigs, einem sehr langen Klettersteig der Kategorie B, als die prognostizieren starken Gewitter eintrafen. Ein Einsatzcrew wurde zusammengestellt, jedoch war aufgrund der Witterung (Gewitter, Starkregen, Hagel) kein Einstieg in den Klettersteig möglich. Leider konnte für 45min kein telefonischer Kontakt mit den Personen hergestellt werden. Nach 45min verbesserten sich die Verhältnisse und eine Mannschaft machte sich bereit für den Zustieg. Glücklicherweise konnte nun telefonisch Kontakt hergestellt und Entwarnung gegeben werden. Die jungen Frauen hatten das Ottohaus erreicht und waren in Sicherheit. Um 17.07 Uhr konnte Einsatzende vermeldet werden.

Der letzte Einsatz – Nummer 4 – erreichte die Ortsstelle um 18.25 Uhr. Zu dieser Zeit ging ein Hagel-Unwetter im Rax-Schneeberggebiet mit enormen Regenmengen und Sturm (Böen von ca 100km/h auf der Rax) nieder. Zwei Ungarische Staatsbürger waren am Stadelwandgrat, einer sehr langen Grattour vom Höllental auf den Schneeberg, in Bergnot geraten. Sie gaben an, dass sie unzureichend ausgerüstet und nicht für ein Notbiwak ausgerüstet waren (kein Biwaksack, keine warme Kleidung, keine Regenjacken, kein Powerbank, keine Getränke/Speisen…). In Abstimmung mit ACG, Austrocontrol, Alpin- und Flugpolizei wurde entschieden, mit einer bodengebundenen Bergung aufgrund der Witterung und der damit verbundenen großen Gefahr für das Bergeteam zu warten. Für den Folgetag wurden die Flugpolizei sowie Christophorus avisieren, dass sie für eine Bergung aus der Luft in den frühen Morgenstunden vorbereitet sind. Um 20.30 Uhr besserte sich das Wetter und die Wetterprognose von ACG kündigte eine trockene, stabilere Wetterphase an. Eine 8-köpfige Einsatzcrew plus ein Alpinpolizist rückten somit ins Höllental aus und begannen um 21.00 Uhr mit dem Zustieg. Den Angaben der beiden Ungarn zufolge, befanden sie sich in einer Nische/Scharte der 7. Seillänge. Deshalb stieg das Bergeteam knapp 800 Höhenmeter mit schwerem Material über einen Steig zum Ausstieg des Stadelwandgrats auf.
In einer Jagdhütte – vielen Dank an die Stadt Wien für die Zusammenarbeit – konnten die Bergretter das Bergematerial (unzählige, bis zu 100m lange Seile, Karabiner, Standplatzschlingen,…) sowie Material für das Wärmemanagement und Verpflegung (warme Getränke, Müsliriegel) zwischenlagern und für den Bergevorgang vorbereiten.
Um 23:22 Uhr begann die Einsatzmannschaft mit dem Bergevorgang und baute mehrere Seilgeländer im ausgesetzten, stark abzusturzegefährdeten Gelände auf. Immer wieder mussten Bergretter sich über Felswände und Gratspitzen abseilen sowie Sicherungen legen, um einen anschließenden Aufstieg mit den gesuchten Personen zügig durchführen zu können. Um 01:24 Uhr trafen zwei Personen des Bergeteams bei den ungarischen Kletterern ein. Diesen waren erschöpft, jedoch in einer Verfassung, die einen gesicherten Aufstieg möglich machen sollten. Sie wurden mit Tee und warmer Kleidung sowie Stirnlampe erstversorgt und im Anschluss begann der gesicherte Aufstieg. Nach etwas mehr als einer Stunde erreichten die Ungarn mit zwei Bergrettern und der Alpinpolizei den Ausstieg. Um 02.45 Uhr war der Abbau der Seilgeländer, Sicherungen abgeschlossen und der letzte Bergretter hatte den Ausstieg erreich.
In der nahe gelegenen Forsthütte der Stadt Wien konnten sich die Geretteten am eingeheizte Ofen anwärmen, Getränke und Müsliregel zusichnehmen, um Kräfte für den langen und schwierigen Abstieg zu sammeln. Um kurz vor 03.15 Uhr begann die Mannschaft abzusteigen und um 05.10 Uhr erreichten alle unverletzt die Bundesstraße im Höllental. Nach der Verladung des Materials, der Rucksäcke und der Aufnahme der Daten durch die Polizei, ging es für die Bergecrew in die Zentrale. Um 05.30 Uhr, nach mehr als 11 Stunden Einsatz, konnte schließlich Einsatzende vermeldet werden.

Angesichts der derzeit sehr heiklen und labilen Wetterlage – auch für dieses Wochenende ist ab dem frühen Nachmittag mit schweren Gewittern zu rechnen – ist eine gute Tourenplanung essentiell, um Leib und Leben bestmöglich zu schützen.

 

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